TV 1848 Ober-Olm e.V.
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Die Teilnahme der Ober-Olmer Turngemeinde an der pfälzischen Erhebung im Mai und Juni 1849

Als im März 1849 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die ihm von der Nationalversammlung angebotene Kaiserkrone ablehnte, beschlossen die Pfälzer, die Reichsverfassung mit Gewalt einzuführen. In Kaiserslautern hatte sich eine republikanische Regierung gebildet. Diese berief Hilfskräfte aus Rheinhessen und bewog auch bayerisches Militär zum Übertritt. Der Ruf aus der Pfalz fand in Rheinhessen, besonders bei den Turnvereinen, willige Ohren. Gemeinden wurden zur Stellung von Leuten verpflichtet, Mannschaften wurden angeworben, ausgerüstet und mit Geld versehen.

 

Ein "Rheinhessisches Provinzialkomitee zur Durchführung der deutschen Verfassung"schlug seinen Sitz in Wörrstadt auf. Abgeordneter Zitz und der Mainzer Journalist Bamberger standen an der Spitze des Komitees. Ein Kleidermagazin wurde angelegt. Am 9. Mai liefen Stafetten nach allen rheinhessischen Orten mit dem Befehl, sofort aufzubrechen und spätestens am 10. Mai in Wörrstadt zu sein. Die Freischärler sollten ausgerüstet und mit Proviant für drei Tage versehen sein.

 

In Ober-Olm ging es in den ersten Maitagen sehr lebhaft zu. Der Turnverein hatte sich zur Einführung der Verfassung zur Verfügung gestellt. Der Schützenverein besaß Waffen, gar mancher hatte sich ein Gewehr bei Einrichtung der Bürgerwehren zu verschaffen gewusst. Die Bauern, die noch heute

leidenschaftliche Jäger sind, besaßen Jagdflinten. Ungefähr 50 Turner, meist junge Burschen, rückten

nach Wörrstadt ab. Das Vereinsbanner wurde mitgeführt. Der Musikverein, bestehend aus zwölf

Mann, zog ebenfalls mit.

 

Ein Aufstand ist immer eine gefährliche Sache. Warnende Stimmen regten sich überall. Die ältere Generation stand der Sache misstrauisch gegenüber. Das hessische Ministerium warnte in einem Erlass vom 14. Mai und betonte, dass bewaffneter Einfall in einen Nachbarstaat Landfriedensbruch sei. Großherzog und Reichsverweser warnten ebenfalls.

 

Die Mainzer Zeitung berichtete, dass am Abend des 11. Mai dreitausend Bewaffnete in Wörrstadt ständen, dass Unbewaffnete in Massen abgewiesen würden. Auch vier Geschütze seien bereit. Der Zuzug der Freischärler halte immer noch an. Bockenheimer („Mainz in den Jahren 1848/49“) gibt die Stärke des rheinhessischen Armeekorps mit 900 Mann an. Hier handelte es sich um tadellos ausgerüstete Leute.

 

Das Armeekorps zerfiel in sieben Kompanien. Die erste Kompanie mit 85 Mann führte der Turner

Johann Quetsch aus Ober-Olm. Das platte Land war an der Führung stark beteiligt. Der Turner Ditt

aus Bretzenheim führte die zweite Kompanie mit 69 Mann. Nix aus Bingen die dritte mit 103 Mann,

Stahl aus Ingelheim die vierte mit 50 Mann. Das rheinhessische Armeekorps zog nach

Kirchheimbolanden.

 

Die Ober-Olmer hielten nicht alle durch. Manche wurden schon in Wörrstadt zurückgewiesen. In der Pfalz konzertierte alltäglich die Musikkapelle in ihrem Standquartier. Ein alter, wohlgekleideter Mann, der ihnen zuhörte, ermahnte sie: "Ihr seid brave Leute. Kehrt um! Die Preußen kommen. Sie verstehen keinen Spaß". Diese Worte sollen die Musiker veranlasst haben, heimzukehren.

 

Die Fürsten holten zu einem schweren Schlag aus, dem die Freischaren, so glänzend auch ihre Begeisterung war, nicht standhalten konnten. Prinz Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm I.,

traf Anfang Juni in Mainz ein. Am 12. Juni brach er nach Kreuznach auf. Die preußischen Truppen

hatten die Weisung, von Kreuznach über Kirchheim nach Neustadt vorzurücken. Das Alsenztal war

von rheinhessischen Freischärlern besetzt. Zitz erkannte, dass er mit seinen Freischärlern, deren

Reihen schon stark gelichtet waren, einem kriegsgeübten Heere nicht standhalten konnte. Er teilte

der Oberleitung mit, dass er beim Herannahen der Preußen das Feld räumen werde. Die Preußen

nahten. Die Felder waren mit Frucht bestanden und boten Schutz gegen Sicht.

 

In einem Getreidefeld lagen auch Ober-Olmer Turner. Die Fahne musste auf jeden Fall gerettet werden. Kurz entschlossen löste sie der Turner Michael Metzler, später langjähriger Gemeindeeinnehmer und bekannt unter dem Namen „Alt-Wagner", von der Stange. Er wickelte das Fahnentuch um den Leib. Dann schlichen sie durch die Ährenfelder, bis sie den Preußen außer Sichtweite waren. Nur dieser beherzten Tat ist es zu verdanken, dass die Fahne als einziges Andenken an jene bewegten Tage noch im Besitz des Turnvereins ist.

 

Das Andenken an Johann Quetsch II ist noch nicht erloschen. Er bewohnte damals

das Haus Obergasse Nr. 11 in Ober-Olm. 1862 erwarb er den Layenhof und bewirtschaftete ihn bis

1866. Er starb in Straßburg. Nach Niederschlagung des Aufstandes fanden durch die Polizei allerorts

Untersuchungen, Verhöre und Verhaftungen statt. Zu Mainz im Justizpalast in der Klarastraße wurde

im Mai und Juni 1850 der rheinhessische Hochverratsprozess aufgerollt. Ober-Olmer Namen waren

unter den Angeklagten nicht zu finden, tauchten auch nicht in Verhandlungen auf („Heinemann, Der

Rheinhessische Hochverratsprozess 1850“). Obwohl unsere Turner in ein politisches Abenteuer

verwickelt waren, scheinen sie sich in der Fremde keiner Vergehen schuldig gemacht und sich so

betragen zu haben, dass kein Richter gegen sie vorgehen konnte.

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